Drüsenfunktion bei CF: Zu geringe Sekretion oder zu große Absorption?
Zu geringe Sekretion oder zu große Absorption?
Professor J.J. Wine von der Stanford University hat mit seinen Mitarbeitern
einmal wieder eine elegante Hypothese entwickelt. In den Berichten darüber
bleibt oft unklar, was genau er eigentlich untersucht hat und worin die
Hypothese besteht, und was das ganze denn eigentlich überhaupt bedeutet.
Ich möchte versuchen, das zu erklären.
Schleim aus den submukösen Drüsen
Zunächst stellt er fest, dass der Schleim, der auf der wässrigen
Flüssigkeitsschicht auf den Schleimhäuten der großen Atemwege fließt,
zu einem wesentlichen Teil aus den Drüsen stammt, die unter den
Schleimhäuten sitzen. Man weiß außerdem, dass diese Drüsen neben
dem wichtigen Schleimbestandteil, dem Mucin MUC5B, auch noch Moleküle
produzieren, die der Immunabwehr dienen, und weiter, dass sie bestimmte
Hemmstoffe für eiweißspaltende Enzyme (Protease-Inhibitoren) herstellen.
Alle diese Substanzen werden durch den Ausführungsgang der Drüse an die
Schleimhautoberfläche gebracht. Bei CF ist diese Sekretion stark vermindert.
Die nahe liegende Erklärung dafür ist, dass die CFTR-Kanäle in den Drüsen
nicht funktionieren, dass deshalb zu wenig Wasser in den Drüsen vorhanden
ist und daher deren Produkte nicht an die Schleimhautoberfläche
transportiert werden können. Zunächst stellt er fest, dass der Schleim,
der auf der wässrigen Flüssigkeitsschicht auf den Schleimhäuten der
großen Atemwege fließt, zu einem wesentlichen Teil aus den Drüsen stammt,
die unter den Schleimhäuten sitzen. Man weiß außerdem, dass diese Drüsen
neben dem wichtigen Schleimbestandteil, dem Mucin MUC5B, auch noch Moleküle
produzieren, die der Immunabwehr dienen, und weiter, dass sie bestimmte
Hemmstoffe für eiweißspaltende Enzyme (Protease-Inhibitoren) herstellen.
Alle diese Substanzen werden durch den Ausführungsgang der Drüse an die
Schleimhautoberfläche gebracht. Bei CF ist diese Sekretion stark vermindert.
Die nahe liegende Erklärung dafür ist, dass die CFTR-Kanäle in den Drüsen
nicht funktionieren, dass deshalb zu wenig Wasser in den Drüsen vorhanden
ist und daher deren Produkte nicht an die Schleimhautoberfläche
transportiert werden können.
Eine alternative Möglichkeit
Nun hat aber eine Arbeitsgruppe herausgefunden, dass normale Drüsenzellen
selbst nur sehr geringe Mengen von CFTR enthalten, während der
Ausführungsgang der Drüse sehr viel davon besitzt. Es könnte also
sein, dass in der Drüse selbst durchaus genügend Flüssigkeit vorhanden
ist, deren Einstrom durch andere Mechanismen als durch den CFTR-Kanal
geregelt wird. Es ist in vielen Geweben so, dass CFTR für die
Flüssigkeitsregulierung keine entscheidende Rolle spielt, sondern
andere Stoffwechselwege genutzt werden.
Das Verhältnis von CFTR zu ENaC
Wo CFTR-Kanäle sind, findet man normalerweise auch EnaC, den epithelialen
Natriumkanal, der als Gegenspieler des CFTR wirkt. Die beiden sorgen
normalerweise gemeinsam dafür, dass die wässrige Flüssigkeitsschicht
auf einer Schleimhaut die richtige Dicke hat: CFTR sorgt für genügend
Wasser: Das ist notwendig, damit der Schleim, der auf der Wasserschicht
schwimmt, nicht auf den Zellen aufliegt, und damit die Flimmerhärchen
genügend Bewegungsfreiheit haben, ohne durch den Schleim
zusammengedrückt zu werden. ENaC verhindert, dass die
Wasserschicht zu dick wird, denn dann hätte der Schleim auf
der Wasseroberfläche einen zu großen Abstand von den Flimmerhärchen
und würde durch deren Tätigkeit nicht bewegt. Es muss genau passen:
Die Flimmerhärchen müssen mit ihren Spitzen gerade genügend weit in
die Schleimschicht eintauchen, um sie bewegen zu können. Ein
wichtiger Teil dieses Zusammenspiels ist, dass das CFTR den ENaC
in seiner Wirkung mehr oder weniger hemmt. Wenn der CFTR-Kanal
nun nicht funktioniert, gelangt zum einen zu wenig Flüssigkeit
aus den Zellen auf die Schleimhaut. Zum anderen geht die hemmende
Wirkung des CFTR für den ENaC verloren, so dass die vorhandene
Flüssigkeit verstärkt von der Schleimhaut weg und zurück in die
Zellen geschleust wird. Genau das könnte sich auch in den
Ausführungsgängen der Drüsen bei CF abspielen, was zur Folge hätte,
dass dann zwar in der Drüse selbst genug Flüssigkeit (Wasser) vorhanden
wäre, aber am Ende des Ausführungsganges nicht. Dann käme wenig oder
nichts von dem produzierten Schleim auf der Atemwegsoberfläche an.
Ist der ungehemmte ENaC in den Ausführungsgängen verantwortlich?
Die Arbeitsgruppe von Wine wollte herausfinden, ob sich diese These
beweisen ließe. Dafür zeigten sie zunächst, dass ENaC in den Drüsen
tatsächlich vorhanden und funktionsfähig ist. Anschließend
untersuchten sie mit optischen Beobachtungsmethoden, ob es bei
CF-Drüsen eine Verstärkung der Sekretion gibt, wenn man den ENaC
mit geeigneten Mitteln (Amilorid und analoge Stoffe) blockiert.
Wenn der ENaC blockiert ist, wird die Rückabsorption des Wassers
in die Zellen unterbunden, man müsste also mehr Wasser auf der
Oberfläche finden, daher bessere Bedingungen für die Sekrete der
Drüsen, nach draußen zu kommen.
Ergebnis:
Wenn man den ENaC
blockiert, stellt man keine Verstärkung der Sekretion fest.
Das bedeutet, dass das Problem doch nicht im Ausführungsgang,
sondern tatsächlich in der Drüse selbst auftritt, in der unzureichende
Flüssigkeitsmengen vorhanden sind, so dass das eingedickte Sekret
nicht aus der Drüse herauskommen kann. So weit, so klar.
Verantwortlich für die Misere der mangelnden Sekretion aus den
submukosalen Drüsen ist dann also vermutlich das fehlerhafte
CFTR selbst. Eine direkte Auswirkung davon ist, dass zu wenig
Schleim auf den Schleimhäuten vorhanden ist, und der ist dann
auch noch in seiner Zusammensetzung verändert. Damit ist das
trickreiche System des mit der Bewegung der Flimmerhärchen nach
oben fließenden Schleims auch von dieser Seite her empfindlich
gestört. Aber auch die anderen wichtigen Bestandteile des
Drüsensekrets kommen nicht auf den Atemwegsschleimhäuten an.
Weitere Entdeckungen: Aktivierung von ENaC durch Proteasen
Die Arbeitsgruppe hat nun aber darüber hinaus herausgefunden,
dass auch bei Nicht-CF-Drüsen die Blockierung des ENaC keinerlei
Effekt auf die Sekretion hat! Wenn man in normal funktionierenden
Drüsen den ENaC komplett durch Amilorid blockiert, müsste das zu
einer deutlichen Erhöhung der ausgeschiedenen Flüssigkeitsmenge
führen, weil dort das CFTR ja funktioniert. Warum ist das nicht
so? Die Erklärung, die die Arbeitsgruppe vorschlägt, geht aus
von der Tatsache, dass ENaC von körpereigenen Proteasen (Eiweiß-
spaltende Enzyme) erst einmal aktiviert werden muss, und dass die
Gegenspieler der Proteasen, die Proteasehemmer, diese Aktivierung
verhindern. Die Gruppe war in der Lage, in der Drüsenflüssigkeit
sechs verschiedene bekannte Proteasehemmer zu identifizieren. Das
könnte erklären, warum ENaC in der Drüse nicht durch Amilorid
gehemmt wird: Wenn der Kanal von vornherein gar nicht aktiviert
ist, weil die aktivierenden Proteasen durch ihre Gegenspieler
behindert werden, dann kann man ihn auch nicht hemmen.
Zu wenige Antiproteasen auf der Atemwegsschleimhaut?
Wenn das so ist, eröffnet es neue Perspektiven für die Vorgänge an
der Oberfläche des Schleimhautepithels bei CF: Dort fehlen die
Antiproteasen, die normalerweise von den submukösen Drüsen geliefert
werden. Daher wird der ENaC durch die ungehemmten körpereigenen
Proteasen stark aktiviert, die Hemmung des ENaC durch CFTR fällt
aus, die Flüssigkeitsschicht wird zu dünn, der Schleimtransport
gerät ins Stocken. Die mangelhafte Beseitigung von eingedrungen
Bakterien führt zu einem Einstrom von Entzündungszellen, die
ihrerseits weitere Proteasen freisetzen. Insbesondere die
Neutrophile setzen große Mengen von Neutrophilen-Elastase
frei, die viele negative Wirkungen hat. Unter anderem aktiviert
sie auch noch die letzten vielleicht noch nicht aktiven ENaCs.
Der Hemmstoff für Neutrophilen-Elastase wird ebenfalls in den
submukösen Drüsen hergestellt, und leider bleibt er dort
stecken.
Zur Bedeutung dieser Hypothese
Ein wesentliches Element der CF-Symptomatik ist also für Wine das
Ungleichgewicht zwischen Proteasen und Antiproteasen auf der
Atemwegsoberfläche, das durch den Mangel an Drüsensekret
verursacht wird. Abgesehen von der Unsicherheit wegen
einiger spekulativer Elemente und ungeklärter Fragen,
die in diese Hypothesenbildung eingegangen sind, stellt
sich natürlich für die Betroffenen die Frage, ob sich
daraus eine therapeutische Strategie ableiten lässt, die
klinische Wirkung zeigt. Eigentlich sollte nach dieser
Hypothese die Erhöhung der Menge von Antiproteasen in der
Atemwegsschleimhaut die Aktivierung des ENaC verhindern
oder verringern und dadurch die Transportfähigkeit des
Schleims verbessern - eine ähnliche Wirkung, wie man sich
von Amilorid und analogen Verbindungen erhofft hatte.
Hierzu sind klinische Studien erforderlich.
Quellenangaben
Hyposecretion, Not Hyperabsorption, Is the Basic Defect of Cystic Fibrosis Airway Glands
THE JOURNAL OF BIOLOGICAL CHEMISTRY VOL. 281, NO. 11, pp. 7392-7398, March 17, 2006
Nam Soo Joo1, Toshiya Irokawa, Robert C. Robbins, and Jeffrey J. Wine
From the Cystic Fibrosis Research Laboratory, Stanford University, Stanford, California
94305-2130 and the Cardiothoracic Surgery and School of Medicine, Stanford University,
Stanford, California 94305-5407
Wilhelm Bremer, Mai 2006